NACHHALTIG GUT: STADTWERKE BAD SALZUFLEN AUF DEM WEG ZUM KLIMANEUTRALEN STADTWERK
Den Begriff „Klimaneutralität“ findet man in fast jeder Branche wieder, ganz gleich ob es um die Herstellung von Lebensmitteln, die Produktion von Kleidung und Kosmetikartikeln oder um CO2-neutrales Reisen geht – und auch in der Energiewirtschaft hat dieses Wort eine große Bedeutung. Alles rund um das Thema Klimaneutralität erklärt Volker Stammer, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Salzuflen, der dieses Thema aktuell ganz oben auf der Agenda hat.
Herr Stammer, warum ist das Wort Klimaneutralität aktuell in aller Munde?
Die Vermeidung der globalen Erderwärmung steht dabei im Fokus. Die Bundesregierung hat das Ziel, dass Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral sein soll. Analog dazu haben sich Städte und Gemeinden, darunter auch Bad Salzuflen, zum Ziel gesetzt den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 zu senken und verstärkt den Fokus auf die Förderung von Erneuerbaren Energien zu legen. Als städtisches Tochterunternehmen gehen wir seit jeher mit gutem Beispiel voran. So beliefern wir beispielsweise bereits seit 2017 alle Privatkunden mit Ökostrom.
Was genau heißt klimaneutral oder CO2 neutral?
Ein wesentlicher Punkt ist das Gleichgewicht zwischen den emittierten Treibhausgasen und deren Bindung durch CO2-Senken herbeizuführen. Um dieses annähernd zu erreichen, müsste das durch den Menschen erzeugte CO2 erheblich reduziert und gleichzeitig die natürlichen Ökosysteme wie Wälder und Moore, welche Treibhausgase aufnehmen und binden, stabilisiert und erhalten werden. Die Klimabilanz der Erde muss letztlich Netto, sprich nach den Abzügen durch natürliche und künstliche Senken, Null betragen.
Ein ambitioniertes Ziel. Wie lässt sich das erreichen?
Bei jeder Handlung und jedem Konsum des Menschen wird direkt oder indirekt Kohlenstoffdioxid ausgestoßen. Um diesen CO2 Ausstoß zu kompensieren gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Erste Möglichkeit: Einsparen von Emissionen. Unternehmen können prüfen, ob die eigenen Produktions-, Lager- und Vertriebsprozesse so umgestellt werden können, dass möglichst gar kein CO2 emittiert wird, z.B. durch die Nutzung von klimafreundlichen Rohstoffen und klimafreundlicher Energie. Der Endverbraucher kann im Gegenzug z.B. vom Auto aufs Fahrrad umsteigen, klimafreundlich heizen oder bewusst auf Überseeprodukte oder auch Fleischkonsum verzichten.
Zweite Möglichkeit: Kompensation von Emissionen. Die entstandenen klimaschädlichen Gase werden nicht am Ort der Entstehung, sondern an einem anderen Ort in gleicher Menge reduziert. In diesem Fall würde das Unternehmen, der Konsument oder der Reisende einen Geldbetrag an eine Organisation zahlen, die im Gegenzug ein Zertifikat ausstellt, das bescheinigt, dass die Emissionen kompensiert wurden. Das Geld setzt die Organisation dann meistens in Schwellen- und Entwicklungsländern ein, um dort Projekte zu finanzieren. Wie beispielsweise die Verhinderung der Abholzung von Regenwäldern, das Pflanzen von neuen Wäldern, der Aufbau regenerativer Energiequellen oder die Renaturierung vom Moorgebieten.
Beide Möglichkeiten begünstigen die Reduktion von CO2, also ist es doch eigentlich egal welche der beiden Varianten gewählt wird, oder?
Das stimmt nicht so ganz, denn durch die Kompensation durch Zertifikate wird die Innovation und Entwicklung neuer CO2-freier Produkte etwas verlangsamt. Nachhaltiger ist somit auf jeden Fall die erste Möglichkeit. Jedes Unternehmen und jede Privatperson sollte das eigene Handeln hinterfragen, ob man nicht bereits im Kleinen etwas ändern kann. Es sind nicht nur Großprojekte, die etwas bewirken, sondern es zählt letztendlich die Summe der vielen kleinen Schritte.
Gezieltes Klimaschutzmanagement beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Welchen CO2 Ausstoß müssen die Stadtwerke denn konkret ausgleichen, um als Unternehmen klimaneutral zu sein?
Für die Erfassung unseres CO2-Fußabdrucks werden umfangreiche Daten wie etwa zum Energieverbrauch der Bürogebäude, zu Geschäftsreisen, zum Fuhrpark sowie zu Büromaterial und Anfahrtswegen der Mitarbeiter und weitere zugrunde gelegt. So werden für die Bestandserhebung im Jahr 2022 nach erster Hochrechnung voraussichtlich rund 900 Tonnen (900.000 kg) CO2 zusammenkommen, die dann vollständig kompensiert werden sollen. Wir werden alle Mitarbeiter motivieren sich aktiv zu beteiligen und Ideen einzureichen, wie wir gemeinsam die verursachten Emissionen dauerhaft minimieren können. Zum Vergleich: 900 Tonnen entsprechen einer Masse von etwa 180 unbeladenen LKWs. Eine solche Menge lässt sich am besten durch eine gemeinsame Mission anstatt durch Vorgaben „von oben“ reduzieren. Das gibt auch Mitarbeitern einen tieferen Sinn für ihr tägliches Tun. Es werden bestimmt tolle Ansätze dabei sein. Jedes Jahr wird der CO2 Ausstoß neu berechnet, sodass wir unsere gemeinsamen Erfolge direkt messen können. Ich bin überzeugt davon, dass das alle Stadtwerker motivieren wird nachhaltig am Ball zu bleiben.
Was ist mit dem CO2 Ausstoß, der durch ÖPNV und die Energieerzeugung und Lieferung entsteht? Wie hoch ist dieser Wert?
Berücksichtigt man den Stadtbusbetrieb, alle Lieferbeziehungen und die Energieerzeugung, ergeben sich Emissionen, die natürlich deutlich höher sind – das ist selbsterklärend. Ein Beispiel: Wir beliefern nicht nur 57.000 Bad Salzufler mit Energie, sondern auch energieintensive Betriebe, Kliniken und betreiben zudem den Stadtbus. Für Bad Salzuflen kommt da eine Menge an CO2 Ausstoß zusammen.
Dieser Wert wird voraussichtlich bei etwas über 100.000 Tonnen CO2 liegen. Das entspricht dann schon einer Vergleichsmasse von etwa 20.000 LKWs. Diese Emissionen können nicht die Stadtwerke alleine neutralisieren, da wir die Bedarfe der einzelnen nicht beeinflussen können. Es kann nur eine Gemeinschaftsaufgabe sein. Als Energiedienstleister sehen wir uns aber definitiv in der Pflicht alle möglichen Stellschrauben zu nutzen.
Welche aktuellen Stadtwerke-Projekte werden sich positiv auf die Klimabilanz auswirken?
Was sich in Zukunft auf jeden Fall sehr positiv auswirken wird, ist beispielsweise der Stadtbusbetrieb, der komplett auf Elektrobusse umgestellt wird. Sechs bereits bestellte Fahrzeuge der Marke eCitaro werden die bisherige Flotte ersetzen. Während ein Dieselbus aktuell etwa 350 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ausstößt, emittiert der Elektrobus eCitaro rund 200 Tonnen CO2 pro Jahr.
Da die Stadtwerke die E-Busse ausschließlich mit Ökostrom betreiben werden, ist die CO2-Bilanz noch mal deutlich besser. Wir machen ein ohnehin klimaschonendes Verkehrsmittel damit noch umweltfreundlicher. Aber auch die Weiterentwicklung der Zukunftsenergie Fernwärme steht aktuell auf der Agenda. Eine Studie soll zeigen, wie der Anteil der Erneuerbaren Energien in der Fernwärmeversorgung auf über 50 % erhöht werden kann. Aktuell beträgt der Anteil knapp 36 %.
Und wie sieht es mit dem Zukauf von Zertifikaten aus?
Wie gesagt, sind uns handfeste lokale Klimaschutzmaßnahmen am wichtigsten. Erst in einem zusätzlichen Schritt werden Emissionen, deren Vermeidung unmöglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, durch den Zukauf von bundesweiten und internationalen Zertifikaten ausgeglichen. Denn Klimaneutralität ist ein globales Thema, das keine Grenzen kennt. Dem Klima ist es egal, wo auf der Welt Emissionen eingespart werden – Hauptsache sie werden eingespart. Im Prinzip ist somit der Mix aus lokalen, regionalen, bundesweiten und internationalen Aktivitäten zielführend und das worauf wir die nächsten Jahre setzen werden.
Was genau sind das für Zertifikate, die Sie erwerben wollen?
Wir setzen auf den Gold Standard. Dieses Zertifizierungssystem wurde 2003 durch den WWF gegründet und gilt als wichtigstes Zertifizierungssystem für Projekte zur Reduzierung von CO2 in der Atmosphäre. Die Gold Standard Zertifizierung setzt höchste Maßstäbe für positive Auswirkungen von Klimaprojekten und anderen Projekten und deckt verschiedene Themenbereiche ab, wie z.B. Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien, Wasserqualität, Biogas und Aufforstung bzw. Wiederaufforstung. In diesem Jahr wollen wir beispielsweise ein Projekt in Bulgarien unterstützen, das die effiziente Energienutzung eines Klärwerkes anstrebt. Darüber hinaus werden wir uns an dem Moor Futures-Projekt beteiligen, das Moore in Deutschland stabilisiert und erhält.
Immer mehr Menschen interessieren sich für das Thema Nachhaltigkeit. Durch den Krieg und die Abhängigkeit vom russischen Gas hat die klimapolitische Diskussion um Erneuerbare Energien nochmals an Fahrt zugenommen. Sie sprachen von Ihrer internen Mission, können sich auch Kunden anschließen?
Definitiv ja. Wenn wir an die Masse von 20.000 LKWs denken, wird klar, dass jeder Einzelne aufgerufen ist, sich uns anzuschließen und im Rahmen seiner Möglichkeiten aktiv mitzumachen. Das ist uns so wichtig, dass wir für diesen wichtigen Zukunftspfad auch ein Key Visual ins Leben gerufen haben, dass alle dauerhaft an die Mission erinnern soll. Mit „Nachhaltig gut.“ fokussieren wir unseren Blick auf die Aufgabe der Zukunft. Denn wir nehmen die Nachhaltigkeit nicht nur als Trend wahr, sondern als ureigenen Auftrag, dem ein kommunaler Versorger schon aus intrinsischen Motiven immer folgen sollte. Jeder kann sich anschließen. Wir werden durch Veranstaltungen informieren, durch Aktionen zum CO2 Einsparen motivieren und durch unsere Energieberatung fachliche Unterstützung leisten, wenn Kunden Interesse haben auf E-Mobilität oder Photovoltaik umzusteigen. Eine gewisse Leichtigkeit zu bewahren und Aktionen ins Leben zu rufen, die auch Spaß machen und den Gemeinschaftssinn fördern, ist uns dabei sehr wichtig. Denn wir glauben, dass ein guter Spirit uns alle gemeinsam eher ans Ziel bringen wird.
Weitere umfassende Informationen zum Thema Klimawandel und Klimaneutralität gibt Volker Stammer in einem VHS Vortrag am 12.5.2022. Dieser findet um 18 Uhr im NETZWERK statt. Teilnahme sowohl in Präsenz als auch digital möglich. Weitere Informationen gibt es hier.